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TitelForschungssynthesen in der Mediendidaktik. Ansätze und Herausforderungen (Editorial)
Publication TypeJournal Article
Year of Publication2023
AuthorsBedenlier, S, Buntins, K, Wilmers, A, Kerres, M
JournalMedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung
IssueThemenheft 54
Abstract

Die Herbsttagung 2023 der Sektion Medienpädagogik in der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft steht unter dem Tagungsthema „Mit Medienpädagogik in die Zukunft. Entwürfe, Begründungen und (inter-)disziplinäre Begegnungen“ und fragt dabei auch nach den methodologischen und methodischen Zugängen zum Forschungsfeld (Hartung et al., 2014). Vor dem Hintergrund der internationalen Forschungsstränge zu Digital Education bzw. Educational Technology und dem gesellschaftlichen Bedarf nach evidenzbasierter bzw. -informierter Bildungspolitik zu Fragen der Digitalisierung ist die lange Zeit primär theoretisch angelegte Diskussion im deutschsprachigen Raum zunehmend durch eine empirische Perspektive erweitert worden (Buntins et al., 2018). Dabei kommen sowohl qualitative, quantitative als auch mixed methods Ansätzen zum Einsatz, und es stellt sich die Frage, wie die Vielzahl der vorliegenden Befunde systematisch erfasst, synthetisiert und für weitere Forschung nutzbar gemacht werden können. Forschungssynthesen gehen über einfache Literaturauswertungen hinaus und basieren in ihren verschiedenen Ausprägungen auf systematischen, d.h. intersubjektiv nachvollziehbaren Verfahren (Sutton et al., 2019). Sie werden zunehmend auch in der medienpädagogischen Forschung herangezogen und finden Beachtung in der Bildungspraxis und -politik (s.a. Delere, 2020; Müller et al., 2022; Schmidt, 2023).
Die historische und disziplinäre Entwicklung von Forschungssynthesen - und hier im Besonderen in der Form des Systematic Review - stellt jedoch eine besondere Situation dar. Mit ihrem Ursprung in der medizinischen und pharmakologischen Forschung der 1970er Jahre wurden Systematic Reviews in den 1990er Jahren verstärkt auch im Kontext von Public Policy aufgegriffen und fanden Eingang in die Sozialwissenschaften (Oakley et al., 2005). Der Einsatz von Forschungssynthesen in diesem Feld wurde begleitet von einer vertiefenden Diskussion zu ihrer methodischen Anlage (Ades et al. 2005; Afshari et al. 2017; Bohlin 2012; Borrego et al. 2014; Chen und Tseng 2011; Esteves et al. 2017; Petticrew 2003), sowie der Erweiterung um qualitative Zugänge und komplexerer Ansätze, die die bislang vorherrschenden quantitativen Verfahren ergänzen (Grant und Booth 2009).
Forschungssynthesen zum Lernen mit digitalen Medien und das Feld der Educational Technology sind hiervon ebenso betroffen, da sich zum ersten sogenannte «Goldstandards», die in den Ursprungsdisziplinen von Forschungssynthesen angelegt werden können, nicht problemlos auf (medien)pädagogische und (medien)didaktische Fragestellungen und Forschungsarbeiten anwenden lassen. Zum zweiten sind es komplexe Interaktionen und Konditionen unter denen Auswirkungen bildungsbezogener Interventionen entstehen, was einfache Wertungen ausschließt (Berliner, 2002; Hammersley 2020). Angesichts dieser Gemengelage und der zunehmenden Verwendung und aktueller Prominenz von Forschungssynthesen in der Forschung zu Educational Technology (Kimmons und Rosenberg, 2022), stellen sich somit Fragen nach Grenzen und Potenzialen dieses Ansatzes.
Als Folge bedarf es im Kontext einer stärker forschungsmethodologisch und -methodisch ausgerichteten Debatte einer kritischen Bestandsaufnahme der Anlage und Ausgestaltung von Forschungssynthesen in diesem Themenfeld mit Bezug auf die spezifischen Fragen der medienerzieherischen bzw. -didaktischen Forschung. Dies schließt die Fragen ein, wie diese Arbeiten auf den Kontext der Disziplin, ihres Forschungsgegenstandes und ihrer Traditionen anzupassen sind (Zawacki-Richter et al., 2020). Das vorliegende Themenheft gibt einen Einblick in die Vielzahl der aktuell diskutierten Fragestellungen, die gleichermaßen die methodische Ausgestaltung von Arbeitsprozessen und Formaten, inhaltliche Spezifika im Themenfeld Digitalisierung und Medienpädagogik oder auch die Darstellung und den Transfer von synthetisierten Forschungsbefunden betreffen. Es möchte damit einen Beitrag leisten, um den Ansatz der Forschungssynthesen mit Blick auf medienpädagogische und mediendidaktische Fragestellungen zu reflektieren und Denkanstöße für ihre Weiterentwicklung zu setzen.

 

URLhttps://www.medienpaed.com/article/view/1826
DOI10.21240/mpaed/54/2023.12.21.X
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